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kritik an taz-artikel

7 Kommentare

In den Kommentaren zum heutigen Artikel der taz über das Regierungsprogramm der Piratenpartei (Autor: Felix Lee) hat Julia Seeliger geschrieben:

Dieses Gebashe ist mir langsam zu blöd, Leute. Belegt, wo die anderen Texte unsachlich waren. Das ist bisher aber nicht geschehen, sondern man erging sich in persönlichen Angriffen, die sich an mir und meiner Parteimitgliedschaft aufhängten.

Bitte fundiert kritisieren und mal nachdenken, was die Rolle von Journalisten ist.

Ich komme der Bitte nach und befasse mich am besten mit dem ersten Artikel. Mit dem alles begonnen hat.

Meine Kritik an dem taz-Artikel “Zukunftschancen der Piratenpartei: ‘Wir glauben an die fünf Prozent’” von Julia Seeliger

Man findet ihn unter politik/schwerpunkt-überwachung. Das ist an sich merkwürdig, kann man aber sicher nicht der Redakteurin anlasten. Schwieriger wird es schon mit der Frage, warum nicht ersichtlich ist, um welche Art Artikel es sich handelt. Hat man es mit einer Reportage zu tun mit einer Nachricht, einem Kommentar oder gar mit einer Glosse?

Der Artikel gibt jemandem, der von den Piraten bisher überhaupt nicht oder nur am Rande gehört hat einen kurzen Abriss, um wen es sich bei der Piratenpartei handelt. Sie sind technisch versiert, etwas kindisch, haben nur wenige Frauen in ihren Reihen, haben offensichtlich nicht viel Geld, stehen den Grünen näher als den Liberalen.

Das ist also dann der Artikel, der Überschrieben ist mit: “Zukunftschancen der Piratenpartei: ‘Wir glauben an die fünf Prozent’“. Der Titel vermittelt, dass es um die Chancen der Piratenpartei bei der Überwindung der Fünf-Prozent-Hürde gehen würde. Der Leser kann also erwarten, Aussagen eines Demoskopen, Zukunftsforschers oder auch Astrologen lesen zu können. Er müsste ferner annehmen, dass ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es diese Chancen (nicht || vielleicht || eigentlich) gibt. Zu allererst hätte er jedoch erfahren müssen, von wem dieses Zitat stammt und ob es eine Einzelmeinung oder breiter Konsens in der Partei ist. Aber weder die Chancen selbst, noch das namenlose Statement sind offensichtlich das eigentliche Thema des Artikels.

Der Vorlauftext wechselt das Thema: Werden die Piraten die neuen Grünen in der deutschen Parteienlandschaft? Gut. Ich wollte zwar etwas darüber lesen, ob es für die Piratenpartei irgendeine Chance gibt, in den Bundestag einzuziehen, aber egal. Das Thema klingt auch spannend. Von wem stammt denn die Aussage eigentlich? Darüber gibt es auch diesmal keine Informationen. Die Autorin hat sich das offensichtlich selbst gefragt. Immerhin ist es ja noch nicht mal ein Zitat.

Zu der Frage – ob die Piratenpartei die neuen Grünen sind – wird sich doch sicher ein Parteienforscher, Demoskop, Demograph oder auch nur ein Numismatiker zu einem Statement hinreissen lassen. Diesem könnte man dann – schön knackig – empörte Aufschreie von prominenten Grünen entgegenstellen. In der offensichtlichen oder nur temporären Abwesenheit von namhaften Experten, die diese These auch nur in Betracht ziehen, ist es selbstverständlich schwer, daraus einen knackigen Artikel zu machen.

Es bleibt also nichts weiter, als im letzten Absatz, der eigentlich einem Fazit oder einem Ausblick vorbehalten sein sollte, den einzigen Grünen zu zitieren, der überhaupt noch glaubwürdig bei dem Thema Bürgerrechte ist. Und selbst hier werden dann noch handwerkliche Fehler begangen. Stellt man nämlich eine verallgemeinernde Aussage vor ein Zitat sollte dieses Zitat diese allgemeine Behauptung stützen. Wenn also gesagt wird, dass die Grünen behaupten würden, alles was die Piratenpartei fordere wäre Teil ihres Wahlprogramms, dann sollte das Zitat von Ströbele etwa lauten: “Die Grünen haben sich klar gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen.” oder so ähnlich. Ströbele mit den Worten zu zitieren “Die Piratenpartei ist eine Wenige-Punkte-Partei.” ist hier fehl am Platze. Denn dies war bisher nicht Thema das Artikels. Bis zum nächsten Zitat, dass möglicherweise wieder von Ströbele ist, kommt ein kurzer historischer Abriss über die Entstehung der Grünen. Da dieser jedoch nicht in indirekter Rede dort steht, müsste man sogar annehmen, dass er nicht von Ströbele kommt. Denn statt ‘Die Grünen formten sich sich aus …’ hätte es andernfalls heissen müssen: ‘Die Grünen hätten sich aus … geformt‘.

Und dann wird es abermals verwirrend: Ströbele wird nochmals zitiert: “Auch mit den Grünen in den 80ern ist die Piratenpartei nicht zu vergleichen”. Hm, ging es vorher um einen Vergleich der Pirantepartei mit den Grünen in den vierzigern? Hach, auch egal, der Artikel ist ja sowieso zu ende und eine Fortsetzung wird es wohl nicht geben.

Fazit

Der Artikel ist zu finden unter einer Rubrik in die er nicht gehört, hat einen Titel, der nichts mit dem Inhalt zu tun hat, einen Vorlauftext, der eine Frage stellt, die nur von einer einzigen Person beantwortet wird, die offensichtlich nicht unvoreingenommen ist und er wurde geschrieben, von einer Redakteurin, die nicht als Mitglied der Grünen zu erkennen ist.

Sich bei soviel schalem Geschmack über Bashing aufzuregen, ist mindestens seltsam. Aber es verfehlt sicher nicht die Wirkung. Julia Seeliger (@zeitrafferin) schreckt auch nicht zurück, das Reizwort ‘Freiheit’ auf ihrem Blog zu benutzen, um möglichst viele Piraten anzustacheln, sie weiterhin zu bashen. Aber das könnte man ihr natürlich nie nachweisen.

[Update] Wie man die Themen ‘Zukunftschancen der Piraten’ und ‘Sind die Piraten die neuen Grünen?’ übrigens auch behandeln kann zeigt das heutige heute journal. In knapp drei Minuten werden beide Fragen angerissen und der Wissenschaftler kommt auch zu Wort. Das Ganze geht ohne Seitenhiebe und das einzig unprofessionelle sind die Piraten selbst. Aber, wie @zeitrafferin ja sagt, es sind eben Jungrobben[/Update]


Written by qrios

September 21st, 2009 at 7:26 pm

Posted in netzpolitik

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7 Responses to 'kritik an taz-artikel'

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  1. Die Piratenpartei hat kein “Regierungsprogramm”.

    Mir wäre jedenfalls neu, daß der Vorstand sowas beschließen kann.

    Jens

    21 Sep 09 at 8:08 pm

  2. Ich habe den Titel unkommentiert von der taz übernommen.

    qrios

    21 Sep 09 at 8:22 pm

  3. Gut gemacht!

    Mich hat der Artikel “Die Freiheit, die wir meinen” von Frau Seeliger provoziert. Hauptsächlich deswegen, weil mit keinem Wort der Inhalt des Interviews von Herrn Popp erwähnt wurde und das er in diesem äußerste, dass er nicht mit rechten Parteien koalieren würde – und das in diesem rechten Schmuddelblatt. Aus diesem Grund war der Artikel für mich eindeutig unter dem Vorwand geschrieben, den Piraten zu schaden und nicht die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. Und genau die Enthüllung dieser Wahrheit ist für meine Begrifflichkeit die Aufgabe eines Journalisten.
    Bashing und persönliche Beleidigungen finde ich nicht okey – egal welcher Meinung man ist. Aber wer unfair kritisiert muss auch damit rechnen, dass Emotionen entfacht werden.

    Kurzum: Ich finde den Journalismus von Frau Seeliger, den ich bisher erleben durfte, nicht gut, rufe aber auch dazu auf, ihr mit Respekt zu begenen und den Streit auf die Thematik zu konzentrieren und nicht auf ihre Person.

    Rookie98

    21 Sep 09 at 9:43 pm

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  5. Welche Anmaßung! Alle regen sich über @zeitraffering auf und schaffen es nicht mal selbst in die Kleinanzeigenabteilung der Werbeblättchen in ihrem Kiez. Wenn Euch die Artikel von ihr nicht gefallen, dann lest sie doch einfach nicht. Und natürlich sind bei den Zeitungen lauter Parteimitglieder und grade bei der taz lauter Grüne. Das muss nicht dabei stehen und trotzdem weiss man das einfach.

    Deine Artikel sind auch nicht die Krone an Objektivität.

    b.hende

    22 Sep 09 at 4:07 pm

  6. Erstens ist das hier ein Blog und zweitens meine ich mich erinnern zu können, dass ich schon etliche Artikel des Blog-Betreibers in der c’t gelesen habe.

    @pilates

    22 Sep 09 at 4:11 pm

  7. Allerdings bin ich nicht wirklich stolz auf die damaligen Artikel. Lediglich einer hat eine dauerhafte Wirkung erzielt: http://www.heise.de/ct/Auf-dem-Weg-zum-glaesernen-Web-Surfer–/artikel/122742 aber das war auch mein letzter c’t-Artikel und ist schon 13 Jahre her ;-)

    qrios

    22 Sep 09 at 4:48 pm

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