Die Hilflosigkeit die sie meinen …
Wenn zwei Celebreties des deutschen Netzes die Waffen strecken und öffentlich ihre Hilflosigkeit offenbaren, dann sollte man genauer hinsehen. Denn jeder, der deutschen Netzgemeinde wird in den Posts von @holgi und @mspr0 in Sippenhaft genommen:
“Wir, das sind so ziemlich alle, die sich seit langem mit Überwachung, Datenschutz und Privatsphäre beschäftigen.”
So – alle Richtungen, Strömungen und Kritiker des Netzes vereinnamend – schreibt mspr0. “Beschäftigen” heißt bei ihm vor allem, die Mahner und Warner zu kritisieren. Sie als Fortschritts- und Spaßbremsen zu klassifizieren, die zwar technisch das Netz verstehen mögen, von seiner revolutionären Kraft nichts begreifen. Die Kritik kann auch gerne mal unter die Hitlervergleichsgürtellinie gehen. Da wird dann schon mal die Revanchistenkeule rausgeholt, weil einer der vielen verschiedenen Demoaufrufe gegen Massenüberwachung (obwohl offensichtlich ironisch) mit Landesverrat argumentiert. Seinem durchaus richtigen Anliegen, dass die Grenzen nicht zwischen den Ländern sondern zwischen den Herrschenden und Beherrschten verlaufen, dient eine solche Trollerei sicher nicht.
“Der Kampf gegen die Einführung und den Betrieb des Überwachungsstaats ist verloren.”
impliziert er, dass er diesen Kampf aktiv geführt hat. Das ist lustig, weil bereits vor mehr als sieben Jahren zwei wirkliche Kämpfer gegen die Überwachung die gleiche Aussage gemacht haben. Unter dem Titel “We lost the war” konstatierten Rop Gonggrijp und Frank Rieger, dass die Geheimdienste inzwischen wissen, wie sie die Technik nutzen können und wie man die Politik dazu bringt, die Technik auch zu bezahlen.
Während holgi eine Mehrheit der Bevölkerung sieht, die Überwachung billigend in Kauf nimmt um maximal mögliche Sicherheitsgarantien zu bekommen, sieht mspr0 gleich jeglichen Datenschutz/Privatsphäre abgeschafft:
“Wenn sich die Leute mit Prism abfinden – und es sieht alles danach aus, als müssten sie das tun – ist der Datenschutzdiskurs in Deutschland in erheblichen Schwierigkeiten.”
Und an dieser Stelle wird wieder deutlich, dass beide von sich auf andere schliessen. Dabei vergessen sie leider, dass sie eben nicht mehr als Konsumenten sind. Das Netz stellt ihre Nischenbühne dar. Und so fallen für beide auch alle Handlungsoptionen weg, die eine Selbstbeschränkung im Umgang mit Daten erfordern würden. Sie sind abhängig von den anderen im Netz, die sie retweeten, erwähnen, kommentiern oder auch kritisieren. Und all diese Events füllen ihr persönliches Ego-Prism. Diese Metadaten brauchen sie für ihre Relevantometer.
Holger Klein wünscht sich offensichtlich sogar Kollateralschäden bei der Überwachung. Wie soll man sich das vorstellen? Hunderte Leute, die nichts verbrochen haben, nach Guantanamo? Erst dann würde die Öffentlichkeit, die Unsinnigkeit der Totalüberwachung erkennen. Hallo? Noch jemand zu Hause?
Wir haben ein funktionierendes Rechtssystem. Jeder, der jetzt meint, man könne nichts gegen die Überwachung tun, betrachtet dieses System als funktional kaputt. Dabei agieren nur die aktuellen Vertreter dieses Systems verfassungswidrig. So what?
Neid?
msrpo
6 Aug 13 at 1:03 am
Holgi trifft den Punkt ziemlich genau. Die meisten Menschen scheinen die Freiheit lieber opfern zu wollen als mit dieser vermeintlich Unsicherheit zu leben. Für diese Menschen muss es erst eine persönlich Datenkalypse geben, damit sie sich mit den Folgen der Totalüberwachung auseinander setzen.
Thorsten W.
6 Aug 13 at 3:13 pm
@Torsten W: Die persönliche Datenkalypse findet permanent statt: Filesharing-Abmahnungen, Stalking, Identitätsklau, Mobbing, Phishing, etc. sind den meisten Menschen im persönlichen Umfeld schon begegnet. Die Überwachung schützt sie nicht davor sondern nutzt die gleichen Techniken. Die Unsicherheit ist also direkter Effekt von mangelndem Datenschutz. Es kann doch nicht sein, dass man denen das nicht begreiflich machen kann.
qrios
7 Aug 13 at 1:14 pm
“…
‘Der Kampf gegen die Einführung und den Betrieb des Überwachungsstaats ist verloren.’
impliziert er, dass er diesen Kampf aktiv geführt hat.”
Diese Schlußfolgerung halte ich für falsch. Holger Klein hat ja nicht “wir haben den Kampf verloren” geschrieben.
wörd
7 Aug 13 at 4:08 pm
Alle Leute in den sozialen Netzen verhalten sich momentan genau so:
Sie stehen vor diesen riesigen Spiegeln und grade ist jemand vorbei gekommen und sagt: ´der Spiegel ist übrigens von der anderen Seite durchsichtig!´. Und darauf sie: ´WAAAS? NICHT WIRKLICH! WAS SOLL ICH DENN JETZ MACHEN?! ICH KANN DOCH NICHTS. BIN NICHTS! OHNE DIESEN SPIEGEL!!11einself´
NuffSaid
10 Aug 13 at 12:41 am