ipad-vorstellung: sonnenaufgang und -untergang für die verlagsbranche
Das iPad ist raus – nach all dem “Wetten, dass …!”. Für mich persönlich ist es eher enttäuschend, da ich insgeheim gehofft hatte, Apple würde eine Technik ausgraben, die zwischen einem L(C|E)D- und einem epaper-Modus umschalten kann. Denn ich lese Bücher auf dem Sofa oder im Bett lieber mit Umgebungslicht als mit Hintergrundbeleuchtung. Auch andere finden viel Kritik. Im Heise-Forum hat sich jemand – die nicht ganz ernst gemeinte – Mühe gemacht, die Inhalte der Kommentare statistisch aufzubereiten.
Alle Kritik lässt sich mit dem Begriff “geschlossenes System” zusammenfassen. Nicht nur, dass es über keinerlei physikalische Anschlussmöglichkeiten verfügt, über die man Programme oder Inhalte auf das Gerät schieben kann, es könnte mit solchen Inhalten auf Softwareseite auch nichts anfangen. Programme kann man nur über den App-Store installieren, Flash ist nach wie vor verfügbar, Musik und Filme müssen auf einem separaten PC/Mac in der iTunes-Bibliothek sein und Bücher kann man (offensichtlich) nur über den neuen Buchshop iBooks laden.
Apple geht mit dem iPad konsequent den Weg weiter, der mit dem iPhone beschritten wurde und den auch Netbooks ursprünglich eingeschlagen hatten. Auch bei diesen wurde anfangs die Desktop-Metapher zugunsten eines Programm-Launchers aufgegeben. Die angestrebte Zielgruppe war der DAU. Die Hauptkäufergruppe war und ist jedoch der Geek. Und dieser lässt sich ungern einschränken und installiert lieber das Betriebssystem seiner Wahl und kann sich nicht vom Desktop trennen.
Mit dem iPhone-OS ist es Apple gelungen, den DAUs ein System anzubieten, das diese bedienen können und vor allem gerne bedienen. Insbesondere der letzte Punkt ist die echte Revolution. Der Normalverbraucher mit seinem rudimentären Verständnis von Computern fühlt sich permanent überfordert von Computern. Setup? Viren? IP-Adresse? Firewall? Was verbirgt sich für jemanden dahinter, der sein Leben lang nur gewohnt ist, mit einer Fernbedienung zwischen TV-Kanälen umzuschalten?
Man muss daher kein Prophet sein, um treffsicher vorhersagen zu können, dass es in fünf Jahren, in jedem zehnten US-Haushalt mindestens ein iPad gibt. Dort wo es eins gibt, wird es sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weitere geben, denn Kinder wollen spielen, während die Eltern ihre Photos anschauen, Mann will lesen, während Frau liest. Eine einzige Einstiegshürde gibt es für den durchschlagenden Erfolg: man benötigt einen Rechner für die Verwaltung der Medien. Diese Hürde lässt sich allerdings durch die Verlagerung der Daten in die Wolke sehr leicht beseitigen.
Die Hoffnung der Verlage
Für die Medienbranche – sowohl Zeitungs- als auch Buchverlage – ist das iPad Segen und Fluch zu gleich. Die Branche selbst hat etliche Versuche unternommen, einen digitalen Verkaufskanal aufzubauen. Sie hat sich dabei genauso dilettantisch verhalten, wie die Musikindustrie bei deren kläglichen Versuchen, die Vormacht vom iTunes-Store zu brechen. Falsches Produktpackaging, unbenutzbare Software, restriktives DRM sind nur drei der Gründe warum Sony und Co. alle Versuche schon nach kurzer Zeit wegen mangelndem Erfolg einstampfen mussten.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels startete 2009 libreka. Mehr als 1000 Verlage bieten mehr als 100.000 Buchtitel an. Nur gibt es eben nur jedes zehnte Buch als digitale Version. What the fuck? Ein Store für den Vertrieb digitaler Bücher, in der ich nicht mal nach digitalen Inhalten suchen kann?! Nach der Musik-, der Mobilfunk- und der Computerbranche macht es nun auch die Verlagsbranche Apple leicht, die Marktmechanismen nach eigenen Vorstellungen umzugestalten.
Zum Start des iBooks-Stores sind fünf große amerikanische Verlage mit im Boot: Penguin, Harper Collins, Macmillan, Hachette und Simon & Schuster. Mehr als die Hälfte aller Titel der aktuellen Bestsellerlisten ist vertreten. Autoren wie Michael Chrichton, Stephen King, Patricia Cornwell, Douglas Preston und sogar Sarah Palin sind damit demnächst digital verfügbar (ja, waren sie auch schon vorher für das Kindl). Durch Macmillan ist auch Holtzbrinck mit dabei.
Für Frank Schirrmacher ist das iPad mit dem iBooks-Store eine echte Zäsur, kein Wunder. Nach seiner Meinung könnte Apple zum größten Verleger der Welt werden. Was eine merkwürdige Vorstellung ist, da ja der Buchhandel nichts verlegt. Und Apple wird doch eher ein Konkurrent von Amazon als von Bertelsmann. Es sei denn …
Warum die Freude über einen erfolgreichen digitalen Vertriebskanal nur von kurzer Dauer sein wird
Es sei denn, Verlage werden weiterhin ihrer eigentlichen Verpflichtung nicht nachkommen. Wenn sie auch in Zukunft Titel danach aussuchen, ob der Autor schon bekannt ist, ob sich mindestens eine fünfstellige Auflage verkaufen lässt, ob es ein Film zum Buch gibt, werden die Verlage tatsächlich schon bald überflüssig. Sie werden überflüssig, wenn sie weiterhin die Rechte auf Inhalte regional aufteilen.
Unter diesen Umständen wird es zuerst White-Label-Verlage geben, die nichts anderes tun, als einem Autor den Zugang zum iBooks-Store zu gewähren. Kein Lektorat wird sich des Werks annehmen. Kein Marketing wird von dem Verlag angeboten. Die Autoren werden alles selbst betreiben. Fan-Foren werden die Lektoren sein und das Marketing findet über Facebook und Twitter statt. Und da der Verlag kaum Ausgaben hat, wird das Buch in der digitalen Version nur wenige Euro kosten.
Im nächsten Schritt wird Apple den Autoren tatsächlich eine Möglichkeit anbieten ihre Werke selbst in den Store zu bringen. Das ist dann tatsächlich das Ende der Verlage, wie wir sie kennen.
[Update] Inzwischen hat sich der Börsenverein des deutschen Buchhandels mit der Thematik beschäftigt und kommt zu einer überraschenden Einschätzung: Kontroverse um ePub-Format und DRM auf dem iPad. Dabei wird kritisiert, dass Apple offensichtlich einen eigenen Kopierschutz um das ePub-Format einführt. Dieser ist natürlich nicht kompatibel zu Adobes-DRM, welches von libreka verwendet wird. Libreka selbst gibt jedoch zu, dass auch dieser Kopierschutz proprietär ist und Inhalte, die damit versehen sind, nur mit Adobe-Readern zu lesen sind. Und insofern trifft die Kritik des Börsenvereins auch dessen eigenes Angebot libreka. [/Update]
diesen artikel habe ich gerne gelesen,ich werde dieses huebsche ding nicht kaufen
….offenheit
gruss regido
regido
28 Jan 10 at 5:41 pm
Deine prophetischen Fähigkeiten in Ehren, aber müsste es sich nicht ebenso mit der Musikbranche verhalten. White-Label-Label sehe ich nirgendwo.
beta
29 Jan 10 at 12:14 am
schöner artikel. nach langem überlegen wird es vermutlich so sein, dass das flache teil wohl im sommer bei mir auf dem tisch liegt -denn wie genau beschrieben ist es ja gerade die freiheit, dass ich nicht alles auf das pad ziehen muss sondern gut über die wolke anbinden kann. auch kann ich dann getrost das zeitungsabo in ein epaper-abo umwandeln und so meine geliebte sz im handlichen format lesen
carsten
29 Jan 10 at 4:45 pm
Es stimmt, eigentlich müsste es so was auch schon in der MI geben. Die Hürde scheint hier ein Henne-Ei-Problem zu sein. Apple nimmt natürlich kein Label auf, dass noch keine Musiker vorweisen kann und die Musiker werden sicher nicht auf das bloße Versprechen dorthin wechseln. Auch hier ist das größte Problem wieder die regionale und medienabhängige Aufteilung der Rechte.
Es kann also gut sein, dass der Zwischenschritt mit den White-Label-Labels ausfällt und Apple gleich eine Möglichkeit bietet, dass der Künstler selbst – egal ob Musiker oder Schriftsteller – seine Elaborate einstellt. Ist eigentlich das selbe wie bei Programmierern. Denn letztlich sind ja Softwarefirmen auch nichts anderes als Verlage.
qrios
29 Jan 10 at 6:26 pm
Danke. Dann kündige ich mich schon mal für einen ausgedehnten Test auf der Luftmatratze liegend auf dem See an
Ich habe mir die ePaper-Variante von der NYT natürlich noch nicht ansehen können. Allerdings bleibt für mich die Frage, ob der einzige und wichtigste Unterschied zu HTML nicht nur das DRM ist. Also der Mehrwert für den User gleich null ist.
qrios
29 Jan 10 at 6:36 pm
Es gibt doch wohl einen großen Unterschied zwischen einem Schriftsteller und einem Programmierer. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, wie ein Autor, wie Michael Chrichton so bekannt werden könnte nur weil er sich selbst über digital Book-Stores verkauft.
beta
29 Jan 10 at 6:45 pm
[...] This post was mentioned on Twitter by qrios, Martin Miersch. Martin Miersch said: Bestseller vermarkten u. ein paar Bücher rausbringen reicht nicht mehr Verlage müssen mehr Dienstleister für Autoren sein http://j.mp/9RUzuR [...]
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30 Jan 10 at 8:43 am
Heck yeah this is excatly what I needed.
Bayle
7 Jul 11 at 7:26 pm