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Die Welt hinter Stacheldraht oder eine Paywall, die keine ist

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Mit dem heutigen Tag startet der Axel-Springer-Verlag seine Bezahlschranke für die Online-Welt. Diese sogenannte Paywall ist wahrscheinlich der erste Akt in einem größeren Stück, das man als den Versuch der Rückeroberung des Publikationsoligopols in Deutschland bezeichnen könnte. Die Paywall für wichtige Verlagsprodukte ist notwendig, um das Leistungsschutzrecht zu rechtfertigen. Dieses Gesetz ist der zweite und Hauptakt des Stückes. Wenn alles gut und so abläuft, wie es sich der Verlag vorstellt, dürfte es im Frühjahr verabschiedet werden und wahrscheinlich ab 1.7.2013 gültig sein. Der dritte und letzte Akt ist dann eine Kartellklage gegen Google, weil die Firma kostenpflichtige Links aus den Suchergebnissen genommen hat.

Das Bezahlmodell der Welt Online

Die Rahmenbedingungen der nun gestarteten Paywall sind jedoch so großzügig, dass man nicht wirklich von einem kostenpflichtigen Angebot sprechen kann.

Die Preise belaufen sich auf zwischen €6,99 bis €14,99 monatlich. Einen Monat kann man für ¢99 testen. Im größten Paket ist sogar noch ein Abo der Welt am Sonntag auf Papier enthalten.

Interessant sind jedoch die Ausnahmen. Denn diese machen die Paywall zu einem sehr löchrigen Gartenzäunchen.

  • 20 Artikel pro Monat pro User sind frei
  • 50.000 der aktivsten Nutzer erhalten 6 Monate freien Zugang
  • Artikel, die über Suchmaschinen oder Soziale Netzwerke verlinkt sind, sind frei verfügbar
  • die Startseite ist kostenlos

Damit deckt die Welt vier sehr unterschiedliche Fälle in Hinsicht auf ihre Vermarktung ab. Knapp ein Viertel der Aufrufe auf Welt Online kommen laut Alexa über Google oder facebook. Unklar ist, wie viele Aufrufe über twitter oder Blogs kommen. Viele dieser Aufrufe dürften nur Gelgenheitsbesucher sein. Denn die Welt hat mit über 50% eine relativ hohe Bounce-Rate. Das ist der Anteil der Nutzer, die nur eine Seite aufrufen und dann die Seite wieder verlassen. Interessant ist, dass für die erste Ausnahme die Verwendung von Cookies notwendig ist. User, die regelmäßig die Cookies löschen, können also mehr als 20 Artikel im Monat umsonst lesen.

Durchschnittlich ruft ein Nutzer pro Sitzung 2,4 Welt-Seiten auf. Ohne Startseite sind das also etwas über einen Artikel pro Besuch. Geht man von einem typischen Arbeitsplatzsurfer aus, der am Wochenende mit einem anderen Rechner online ist, hat er also an 20 Tagen je 1 Artikel umsonst zur Verfügung. Nur etwas weniger als der Durchschnittsnutzer überhaupt möchte.

Nicht anders als frech kann man das registrierungspflichtige “Angebot” an die 50.000 loyalsten Nutzer bezeichnen. Denn die Welt arbeitet mit Online-Profildiensten zusammen und erhält zu den Interessenprofilen dann auch noch eine gültige EMail-Adresse. Angenehmer Nebeneffekt für die Welt ist die Tatsache, dass sich dann die Nutzer mit mehreren ihrer Geräte bei der Welt anmelden. Ein kostenloser Datenkonsolidierungsservice vieler Nutzer für Axel Springer.

Eine Paywall, die keine ist

Für die Vermarktung der Seite wäre eine restriktive Paywall tatsächlich ein echtes Problem. Insbesondere die Zahl der Unique Visitors ist die wichtigste Kennzahl für die Werbeschaltung. Die Paywallschlupflöcher sind jedoch groß genug, dass sich weder diese Zahl signifikant ändern wird, noch die der PageImpressions, die direkt die Anzahl der ausgespielten Werbung beeinflusst.


Written by qrios

December 12th, 2012 at 2:29 pm

Posted in netzpolitik

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