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IT ist kurios!

Das ganze Drama der Innovationsförderung (an einem Beispiel)

6 Kommentare

Angela Merkel war auf der CeBit und hatte dort ein besonderes Auge auf StartUps. Anschliessend schaut sie in Berlin noch in der Kulturbrauerei unter anderem bei Wooga vorbei. Nach einem neuerlichen – inzwischen mehr als dreijährigen – Gründungsboom insbesondere in Berlin hat sowohl die Bundes- als auch die Landespolitik nicht nur hier Neugründungen wieder als Thema der Wirtschaftspolitik entdeckt.

Man muss leider vermuten, dass solches Engagement bestenfalls wirkungsneutral ist. Wahrscheinlich ist es jedoch hinderlich. Warum?

Kaum ein Politiker hat bisher eine eigene Firma gegründet. Daher ist ihnen überhaupt nicht bewusst, welche Probleme einem dabei über den Weg laufen. So kann man beispielsweise so gut wie keine Verträge (Telekommunikation, Büros, Versicherungen) machen, wenn man noch keinen Handelsregistereintrag hat oder noch in Gründung ist und mitunter noch eine gewisse Frist nach Gründung (so mehrfach geschehen). Das führt dazu, dass man solche Verträge dann als Privatperson machen muss, um überhaupt mal loszulegen. Solche privaten Verträge führen in der Folge dann jedoch zu erheblichen Dissonanzen mit und Streitigkeiten zwischen verschiedenen Finanzämtern (so mehrfach geschehen). Sollte das Ordnungsamt Wind davon bekommen, dass man einen Teil der Vorbereitungen für eine in Gründung befindliche Firma in den privaten Räumen erledigt kann es auch schon mal eine Verwarnung wg. Wettbewerbsvergehen geben (so geschehen).

Solcherlei Petitessen lassen sich ja vielleicht mittels Innovationsförderung übertünchen, denkt sich der gemeine Amtsschimmel. Also werden Förderprogramme und Kompetenz-Cluster ins Leben gerufen.

Ein Beispiel: GeolApps

Unter der Adresse geolapps.de wirbt der Berliner Senat und die Landesregierung Brandenburg derzeit für einen Wettbewerb:

Länderübergreifende Wettbewerbsinitiative für das Cluster IKT, Medien und Kreativwirtschaft

in der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg

Handlungsfeld “Mobile Anwendungen / Geoinformation”

Das mag dem unbedarften Leser nur sehr ungefähr sagen, was genau das Ziel des Wettbewerbs ist. In dem PDF findet sich dann “Best-Practice-Wettbewerb im Technologiefeld Location Based Apps mit Geodatendiensten”. Bewerben darf sich eigentlich weltweit jeder (Firmen, Institutionen, Personen) explizit jedoch auch jeder aus Berlin/Brandenburg. Zu gewinnen gibt es Ehrenpreise (Urkunden) und Sonderpreise der öffentlichen Hand (50k sind im Topf) und der beteiligten Unternehmen (Preise nicht genannt).

Das Jurykonsortium setzt sich mehrheitlich aus Beamten zusammen. Von den zehn Jurymitgliedern werden sieben von den Ländern bezahlt. Drei weitere kommen von den privatwirtschaftlichen Unterstützern Telekom, Nokia und skobbler.

Allerdings landen nicht alle Einreichungen bei der Jury. Irgendjemand oder irgendwas filtert die Bewerbungen vorher und legt der Jury dann nur “ausschließlich solche Vorhaben zur Bewertung” unter anderem nur die vor, die folgende Auswahlkriterien berücksichtigen:

  • Innovationsgehalt (inhaltlich, technologisch)
  • Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bzw. Mehrwert für den Nutzer / Käufer (!) Verwertungsdarstellungen über Erst- oder Zweitverwertung
  • Offlinefähigkeit und Synchronisation
  • Erreichter Verbreitungsgrad bzw. Potential der Übertragbarkeit auf andere Nutzer
  • Alleinstellungsmerkmale
  • Geschäftsmodell
  • Beachtung der Markt- und Wettbewerbssituation

Von den neun Punkten haben nur zwei mit Innovation direkt oder indirekt zu tun. Der ganze Rest ist BWL-Gekasper. Der Einreichende sollte also wesentlich mehr Wert auf einen Buisinessplan legen als auf die Idee und die Umsetzung.

Tatsächlich handelt es sich also eher um einen StartUp-Wettbewerb. Kein Wunder immerhin ist die Telekom ja auch mit ihrem Inkubator hub:raum beteiligt. Und auch Nokia kauft gerne kleine Neugründungen, da sie häufig Ideen schneller umsetzen können als der ehemals größte Handyhersteller.

Geodienste: Ein schlechter Witz

Den Bewerbern wird implizit nahe gelegt, sich die von Berlin und Brandenburg angebotenen “WebServices” aus dem Bereich Geodaten anzusehen und möglicherweise zu nutzen. Auf sieben Seiten des PDFs werden die Dienste genannt. Ausser einer minimalen Kurzbeschreibung findet der geneigte Leser jedoch nichts, kein Link und auch keine Nutzungsrechte. Laut Ausschreibung sollen sie für die Teilnehmer für die Dauer des Wettbewerbs und 6 Monate darüber hinaus kostenfrei zu nutzen sein. Bezeichnet werden die Dienste mit Akronymen wie “WMS” (könnte für Web Mapping Service oder Wissensmanagementsystem stehen) oder als “WFS” (könnte für Web Feature Service oder für Wegfahrsperre stehen).

Sucht man dann nach den angebotenen Services findet man gleich zuerst eine Preisliste. Darin erfährt man, dass beispielsweise der DGM5 genannte Service des Senats pro km2 20,-€ kostet. Dabei handelt es sich um ein Digitales Geländemodell. Weder das Format noch das Medium sind ad hoc ermittelbar. Bei einem anderen Service den Digitalen farbigen Orthophotos erfährt man nach einiger Recherche immerhin, dass sie im Format ECW vorliegen. Ein in der exclusiven GIS-Szene (Geoinformatiosnsystem) verbreites Format. Leider ist es für mobile Anwendungen nur sehr eingeschränkt verwendbar. Weder iOS noch Android beherrschen es.

In Zeiten von OpenData ist diese Liste mit über 70 gelisteten Angeboten das Armutszeugnis für Land und Senat schlechthin. Den geneigten Entwickler erwartet ein Dschungel aus Technik, Ansprechpartnern, Rechten und Preisen.

Kosten und Nutzen für die Jury

Ein solcher Wettbewerb bedeutet natürlich auch Aufwand für die privatwirtschaftlichen Unterstützer. Da ist es durchaus sinnvoll für zum Beispiel Nokia Mitarbeiter damit zu betrauen, die für externe Aufgaben sinnvoller sind als für die tatsächliche Produktion. In der Jury sitzt daher auch Jan Nowak “Head of Web Developer Engagement”.

Interessant ist auch der Ansprechpartner für die Bewerber. Prof. Dr.-Ing. Roland-M. Wagner von der geachteten Beuth-Hochschule in Berlin müht sich redlich um das Thema “Location Based Services”, also um alle Inhalte und Dienste, die man mit Geodaten versehen kann oder daraus generieren kann.

Herr Wagner hat durchaus Erfahrungen mit Geo-Apps. Er wird geführt als Publisher für die Android-App eFlyer. Diese mindestens 100 und maximal 500 mal geladene und von drei Nutzern mit 5 Sternen bewertete App ohne Beschreibung stellt die Daten der Site ticket-saarmoselle.eu in einer mobilen Version dar. Als Symposium-Referent hat Wagner natürlich gute Kontakte zu SaarMoselle. Und die technischen Grundlagen für die App stammt ja immerhin auch aus einem von der EU geförderten Projekt: MAGUN.

Mit Flyern hat es Prof. Wagner sowieso. Die Anmeldung für den Wettbewerb ist bei der Berliner Firma hyflyr.de gehostet. Ein Projekt der Berliner Firma Akaparis, die als Kunden oben genanntes SaarMoselle und die Konferenz mobileseasons.com angibt. Offensichtlich der Initiator des Barcamps DROIDCON auf dem Wagner natürlich schon gesprochen hat. Auch die Site der Wettbewerbsausschreibung ist direkt von Prof. Wagner reserviert und das PDF ist von ihm erstellt worden.

Das vollkommen private Handling dieser Ausschreibung lässt einen unbedarften Betrachter mindestens stutzen. Wie kann ein solches Setup auch nur annähernd für den notwendig sensiblen Umgang mit den Einreichungen umgehen? Wie kann bei einem intransparenten Ablauf, vagen Zielen und einem Geflecht – nein “Netzwerk” der Beteiligten ein fairer Wettbewerb gewährleistet werden?

Das Problem ist sicher nicht, die Fähigkeit von Herrn Wagner, zu “vernetzen”. Das Problem ist aber offensichtlich, dass sich die Länder Berlin und Brandenburg vor den Karren spannen lassen, der das Netzwerk einer Person mit öffentlichen Mitteln versieht. Ohne irgendwelches Wissen über die wirtschaftlichen Grundlagen allgemein und die besonderen Bedingungen in einem hart umkäpften Markt der Apps wird hier das Theaterstück “Nun kümmern sie sich wieder” wieder und wieder aufgeführt. Statt sinnvollen Maßnahmen werden Feigenblätter produziert und das Geld dafür landet bei privaten Seilschaften.

Warum ich nicht teilnehmen werde

Eigentlich gäbe es gleich drei Projekte, die hervorragend für die Einreichung geeignet wären. Da ist z.B. OpenDGPS an dem ich mich beteilige. Dabei geht es darum, ein verteiltes Netz von privat betriebenen Differential-GPS-Stationen aufzubauen und so Teilnehmern zu ermöglichen, mit herkömmlichen Mitteln eine Positionierungsgenauigkeit bis in den Zentimeterbereich zu erreichen. Ein weiteres Projekt ist umberlinrum.de für das ich schreibe. Mit einer einheitlichen Vanity-URL sollen Interessierte und Touristen bei ihren Reisen durch Brandenburg und darüber hinaus zukünftig interessante Spots in der Nähe finden, redaktionell aufbereitet und kuratiert.

Aber alle Rahmenparameter des Wettbewerbs GeolApps sind mindestens unzureichend: die Ausrichtung auf ein funktionierendes Business schränken die Ideenvielfalt der Beiträge ein, die Seilschaften der Jury lassen an einer minimalen Objektivität bei der Bewertung zweifeln und schliesslich sind die angebotenen Dienste in der derzeitigen Aufbereitung unbenutzbar.

PS: Die Preisverleihung findet übrigens auf dem nächsten WhereCamp irgendwann im Juni/Juli in Berlin statt. Unter den Organisatoren des Camps findet sich: Prof. Wagner.

[Update] Inzwischen ist eine Bestätigungsmail für die Anmeldung eingetroffen. Das Drama geht in seine zweite Runde. Unter den Anhängen findet sich unter anderem eine überarbeitete Liste der verfügbaren Services. Erweitert wurde die Liste um Links auf die jeweiligen Services. Das sieht dann folgendermaßen aus:

Auf dem Screenshot ist nicht so gut zu sehen, dass beim Copy&Paste wohl was falsch gelaufen ist. An mehreren Stellen sind Leerzeichen dazwischen gerutscht. Das kann man sich noch denken. Was sich der geneigte Nutzer jedoch nicht denken kann, ist die Antwort auf die Frage, was man dort bekommt. Ruft man die Links auf, erhält man eine SOAP-Response.

Zwar ist SOAP für mich als XSLT-Fan durchaus die erste Wahl aber in Zeiten von JSON und REST ist das für sehr viele Entwickler eine zu große Hürde. Das wäre es selbst dann, wenn die Schnittstellen halbwegs dokumentiert wären.

Einem erfahrenen Entwickler wird es jedoch nicht unendlich schwer fallen, dieses Problem zu umschiffen. Was ihm jedoch nicht gelingen dürfte, ist einen Weg zu finden, die angebotenen Dienste tatsächlich zu nutzen. Denn die Lizenzbestimmungen (hier eine nahezu identische Version von Thüringen) verbieten die Nutzung der Daten eigentlich.

§ 8.2 Im Fall der Weitergabe von Produkten und Daten an einen Auftragnehmer hat der Lizenznehmer diesen schriftlich zu verpflichten, die übernommenen Daten ausschließlich für die Bearbeitung des Auftrags zu verwenden, sie in keinem Fall Dritten zugänglich zu machen sowie nach Erfüllung des Auftrags alle bei ihm verbliebenen Daten, auch Zwischenprodukte, Arbeitskopien u. dgl. zu löschen sowie dem Lizenzgeber auf Verlangen eine schriftliche Erklärung über die vollständige Löschung der Daten abzugeben.

An anderer Stelle wird ausgeführt, wie die Präsentation der Daten zu erfolgen hat: max. 1Mio Pixel oder als A3-PDF, dazu kommt ein umfangreiches Copyright und ein Link auf den Serviceanbieter. All das muss man sich aber für das Geolapps-Projekt gar nicht erst ansehen. Denn laut § 7.3 darf man die Daten sowieso nicht für kostenfreie Anwendungen verwenden.

Die ebenfalls per Mail versendete Erlaubnis für die Nutzung der Services im Rahmen von Geolapps ist so schwammig formuliert, dass sie mehr Unsicherheit für die Nutzung bringt. [/Update] 

 


Written by qrios

March 11th, 2013 at 1:16 pm

Posted in netzpolitik

6 Responses to 'Das ganze Drama der Innovationsförderung (an einem Beispiel)'

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  1. Die alten Seilschaften funktionieren eben immer noch am Besten. Dei Bürokraten haben keine Ahnung und werden von lauter Leuten über den Tische gezogen.

    Bin ja mal gespannt, wer da gewinnt. Berichtest Du darüber?

    W.M.

    12 Mar 13 at 1:40 am

  2. Hä, was genau kritisierst du denn? Dass es Leute gibt, die sich darum kümmern, dass – wenn auch spärliche – Mittel in die Förderung von Innovation fliessen? Wenn solche Leute wie der Wagner nicht wären, dann würden sich die Beamten noch viel wahnsinnigere Projekte ausdenken. Und dass da SOAP zum Einsatz kommt finde ich jetzt nicht weiter schlimm. Es gibt z.B. für iOS eine Lib (http://code.google.com/p/wsdl2objc/) und für Android wahrscheinlich auch.

    Bei den Rechten dürfte eher die zeitliche Beschränkung das Problem sein. Ich kann doch keine App in den Store packen, die nach einem halben Jahr nicht mehr läuft/laufen darf.

    Thomas Lange

    13 Mar 13 at 8:06 pm

  3. @Thomas: Ich kritisiere, dass Innovationsförderung von den Beamten betrieben wird. Sie haben keinen blassen Schimmer von dem was tatsächlich grade an Innovation läuft. Und dass sie die Prozesse in Hände von “Netzwerkern” geben, die ihr Geld mit Förderung und eben nicht mit vermarktbarer Innovation verdienen. Und im konkreten Fall kritisiere ich auch noch, dass die Behörden lieber hätten fragen sollen, wie die Web-Services denn besser gemacht könnten. So, dass sie wirklich von heutigen Programmierern und nicht nur von GIS-Experten benutzt werden könnten.

    qrios

    16 Mar 13 at 4:43 pm

  4. @qrios: GIS-Software und die entsprechenden Formate sind ja nun wirklich kein Wunderwerk. Das ist alles abgehangene Technik. Und übrigens alle mal besser als json und vergleichbarer Schrott.

    Ich vermute, Du wolltest nur mal wieder ranten und da kam Dir das Projekt grade recht. Ich finde es sehr gut, dass es Leute gibt, die was bewegen wollen und auch bewegen. Soll das ganze Geld etwa in den Straßenbau und Werbkampagnen für Bundeswehrsoldaten gesteckt werden?

    Thomas Lange

    3 Apr 13 at 5:57 pm

  5. darüber sollte man sich ernsthaft Gedanken machen. Ich finde den Unterschied zwischen der bestimmenden Ebene und der ausführenden zu groß, es müssen mehr Praktiker ran.

    Barbara Jung

    8 Jun 13 at 7:28 pm

  6. [...] Aber wir sind dennoch optimistisch. So hat Berlin seit kurzem ein Portal in dem die OpenData-Angebote des Senats gebündelt sind. Und prinzipiell ist die Politik dem Gedanken aufgeschlossen und wünscht sich eine höhere Beweglichkeit der Verwaltung. Das wird zum Beispiel deutlich an dem Projekt GeoApps durch das Projekte gefördert werden sollen, die Daten der Vermessungsämter nutzen sollen und sinnvolle Anwendungen entwickeln sollen. Leider ist das Setup solcher Förderungen – vorsichtig ausgedrückt – mitunter etwas exotisch. [...]

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