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Datenschutzdebatte: der Ton wird rauher

2 Kommentare

Der sich selbst als “Pirat in der SPD” titulierende Jan Moenikes bezeichnete gestern die Institutsleiterin an der Wiener Wirtschaftsuniversität Sarah Spiekermann als “intellektuell überfordert”. Vorangegangen war ein Artikel von ihr in der Zeit und eine Replik von dem bekannten Anwalt Nico Härting auf cr-online, dem “Portal zum IT-Recht”.

In dem Zeitartikel hatte Spiekermann die massiven Bemühungen der Lobbyisten, die deutschen und europäischen Datenschutzgesetzte und -verordnungen zu verwässern beschrieben und angeprangert. Der Kragen ist ihr offensichtlich auf der Tagung “Datenschutz im 21. Jahrhundert” geplatzt. Nach ihrem Empfinden sind Hundertschaften von Lobbyisten im Einsatz, die die bestehenden Richtlinien zu Fall zu bringen möchten und ein mehr wirtschaftsfreundliches Datenerfassungs- und verarbeitungsklima schaffen wollen.

An der Zahl der Lobbyisten entfachte sich dann auch die Diskussion der eigentlichen Lobbyisten. Die “Wiener Forscherin” würde maßlos übertreiben. Aber auch Ralf Bendrath bestätitgte die Hundertschaften, zumindest für Brüssel, wo momentan tatsächlich die eigentliche Diskussion stattfindet.

Der Argumentationsdruck auf Politik und Medien wird erhöht

Die Kritiker von Spiekermann muss man sich genauer ansehen. Denn der übelmeinende Beobachter könnte denken, sie agierten unter falscher Flagge. Und offensichtlich scheinen sie dabei recht erfolgreich. Nico Härting ist von der Kanzlei “Härting Rechtsanwälte” laut Homepage bekannt “vor allem aus dem Medien- und Internetrecht”. Die Seite bietet beispielsweise den netten Service von Vertragsvorlagen rund um das digitale Business.

Der ebenfalls als Anwalt tätige “Pirat in der SPD” Jan Mönickes ist häufig in Funk und Fernsehen zu Gast. Kürzlich hat er beispielsweise auf dem Ostdeutschen Journalistentag einen Vortrag mit dem Titel “Vorratsdatenspeicherung – ein notwendiges Übel” gehalten. Ein echtes rhetorisches Meisterstück. Denn er hangelt sich in wenigen Sätzen von der verständlichen Hoffnung der Ermittler auf Überwachungstechniken, über die Sorgen vor totaler Überwachung, zu nicht näher benannten versteckten Absichten der Kritiker dieser Techniken. Dass Mönickes ein etwas anderes Verständnis von Datenschutz hat als die bekannten Datenschützer sieht man schon an der Verwendung von Begriffen und Interpunktion. So spricht er von der “sog. Vorratsdatenspeicherung” und von “absolutem ‘Recht auf Anonymität’”.

Einem themenfremden Journalisten dürfte es nach einem solchen Briefing schwerer fallen, jemanden wie Peter Schaar ernst zu nehmen.

Spannender jedoch ist Härting und seine Kanzlei. In Zusammenarbeit mit SSW (Schneider Schiffer Weihermüller) beschäftigen sie sich hier mit den aktuellen und zukünftigen Datenschutzgesetzen. Dort findet sich zum Beispiel seit August 2012 ein “Alternativentwurf” der Datenschutz-Grundverordnung (zu finden unter schneider-haerting,de).

Kern dieses Alternativentwurfs ist letztlich die Abschaffung des “Verbot mit Erlaubnisvorbehalt”, der Basis des deutschen und europäischen Datenschutzes. Den “Alternativentwurf” sollte sich jeder mal durchlesen. Er zeigt nicht nur wohin die Reise gehen soll, sondern macht auch deutlich, woher die ganzen schlecht ausgearbeiteten Gesetze kommen. Es ist unlogisch, fehlerhaft strukturiert und wichtige Punkte werden vollkommen aussen vor gelassen.


Written by qrios

November 11th, 2012 at 3:39 pm

Posted in netzpolitik,privacy

2 Responses to 'Datenschutzdebatte: der Ton wird rauher'

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  1. In einem Interview sagte Härting neulich:

    “Wenn der Staat persönliche Daten verarbeitet, ist das ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der einer gesetzlichen Legitimation bedarf. Verarbeiten dagegen Private Daten, ist das ihrerseits eine Grundrechtsausübung.”

    D.h. wohl, dass die Privatwirtschaft ein Grundrecht auf die willkürliche Datenverarbeitung hat, oder wie?

    Q: http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/alternativvorschlag-von-niko-haerting-zur-eu-datenschutzreform/

    r00noan

    11 Nov 12 at 4:31 pm

  2. Man möge sich nur die aktuelle Vorgehensweise der Lobbiisten ansehen: Datenschutz ist gleichbedeutend mit Wettbewerbsnachteil. Daher sind die Rechte der Verbraucher immer auch schädlich für die Wirtschaft. Man kann gar nicht so viel kotzen, wie man müsste!

    Thomas Lange

    6 Dec 12 at 1:42 am

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