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Leistungsschutzrecht: eine Branche schafft sich ab

1 Kommentar

tl;dr Die Verlage – allen voran die axel springer ag – möchte das Web wieder zu einem Sender-Empfänger-Modell zurückführen. Mit Leistungsschutzrecht und Paywalls sollen ihre Inhalte vor dem unbezahlten diffundieren geschützt werden. Letztlich bauen sie damit nur das Fundament für eine Transformation der Medienbranche. Weg vom Verlag, hin zu EΠC 20151.

Das Thema Leistungsschutzrecht wurde grade in dem immer wieder hörenswerten Podcast aus der metaebene Logbuch: Netzpolitik von Philipp Otto (von iRights.info) dargestellt. Der Entwurf wirft derzeit mehr Fragen auf als einem einfallen können:

  • Welchen Umfang dürfen Zitate in Zukunft haben? 10 Worte? 3 Worte?
  • Fallen Links darunter?
  • Fallen Link-Texte darunter? (sog. sprechende URLs)
  • Was ist mit URL-Shortenern?
  • Fällt eine Beschreibung der notwendigen Suchbegriffe darunter?
  • Wie verträgt sich dieses Gesetz mit dem Zitatrecht?
  • Was ist mit Übersetzungen?
  • Was ist mit wissenschaftlichen Arbeiten?
  • Aber vor allem: Was meint ‘gewerblich’?

Nimmt man beispielsweise qrios.de, dann ist die Frage sehr schwer zu beantworten. Die Autoren arbeiten in exakt dem Themenbereich, um den sich alle Artikel drehen. Die Artikel sind schon deswegen als gewerblich zu bezeichnen weil sie der Sammlung dienen. Jeder Artikel dient der eigenen Meinungsbildung, der Archivierung und sogar dem öffentlichen Diskurs.

Ginge man mit dieser Begründung zum Finanzamt und würde z.B. die Serverkosten, die Schreibgeräte, die Mobilfunkverträge und den heimischen Küchentisch als relevant für diese Tätigkeit abschreiben wollen müsste man mit höhnischem Gelächter rechnen. Selbst, wenn man einen flattr-Button auf der Seite hätte und dort monatlich 50€ einnehmen (und damit die Serverkosten begleichen können), stieße man auf Unverständnis.

Man kann sicher auf den ersten Fall gespannt sein in dem das Hamburger Landgericht einem Geflügelfürsten bestätigt, dass der Koch-Blog ichrühreeier.de einen Erwerbszweck verfolgt, da der Blogger einen Mehrwert aus zugesannten Rezeptbüchern hat, die er üblicherweise rezensiert. Was macht das Finanzamt dann?

Soll das Web wieder ein Walled Garden werden?

Vor allen praktischen Aspekten eines schlecht ausgearbeiteten Entwurfs muss man sich jedoch fragen, wie die Verlage auf diese bekloppte Idee kommen? Selbst wenn es nur auf Google abzielt (und nicht auch noch auf facebook und twitter) und Google sich breitschlagen lassen sollte, für die News-Schnipsel zu zahlen dürften die Einnahmen der Publisher erheblich sinken. Google dürfte zukünftig dafür sorgen, dass weniger Nutzer zu Axel Springer gehen.

Und nicht nur Google selbst dürfte durch Änderung seines Ranking-Mechanismus aktiv dafür sorgen. Die Nutzer selbst werden dafür sorgen, dass der Pagerank von zum Beispiel welt.de (PR: 8 ) oder bild.de (PR: 7) sinkt. Wer sollte dann noch auf Artikel dort verlinken, wenn er dafür abgemahnt werden kann?

Laut Alexa sind mehr als 30% der Welt.de-Nutzer zuvor auf einer Suchmaschine oder facebook. Selbst bei vorsichtiger Schätzung dürften von den 42.198.106 Besuchern im Mai 2012 mindestens 8 Mio über Suchanfragen oder soziale Links auf die Seite kommen. Die würden schon mittelfristig wegfallen. Der langfristige Effekt dürfte sich noch viel stärker auswirken.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Meldungen, dass mehr und mehr Verlagshäuser eine Paywall einrichten wollen (Madsack, FAZ, NZZ) könnte man meinen, dass das Web auf den Stand von BTX und Compuserve zurück gebracht werden soll. Inhalte sollen nur von einem begrenzten Kreis kommen und die Nutzer sollen Konsumenten bleiben.

Konsequenterweise wird der sehr schöne Artikel von Constanze Kurz in der FAZ über eine Zukunftsversion mit Leistungsschutzrecht nicht verlinkt. Man möge einfach bei Google nach “constanze kurz faz” googeln.

1) Der Film EPIC 2015 ist eine Zukunftsversion aus dem letzten Jahrhundert. Unter anderem darin Verleger, die gegen Google wg. der Verwendung von Snippets klagen. Am Ende liefern die Nutzer selbst die Inhalte und werden direkt vergütet.


Written by qrios

June 15th, 2012 at 4:32 pm

Posted in netzpolitik

One Response to 'Leistungsschutzrecht: eine Branche schafft sich ab'

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  1. Wie kommt es eigentlich, daß die Interllektuellen immer davon ausgehen, daß in Zukunft alles schlecht wird? Statt immer wieder das Böse heraufzubeschwören solltet ihr mal konstruktiv mitarbeiten!

    Der Film Idiocracy (http://www.imdb.com/title/tt0387808/) zeigt sehr deutlich wo die Entwicklung hingeht, wenn sich die klugen Leute zurückziehen und die anderen die Kinde kriegen.

    Anon

    15 Jun 12 at 11:46 pm

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