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IT ist kurios!

Der Content in den Zeiten des Internet

1 Kommentar

Eine interessante Diskussion entspannt sich grade über den Begriff und die Bedeutung von “Content-Marketing”. Angefangen hat es vor zwei Wochen mit einem Interview von Jeff Jarvis im Internet Magazin das mit dem Titel “Content Marketing ist der falsche Weg” überschrieben ist. Thomas Knüwer befragt den bekannten Post-Privacy-Apologeten unter anderem über dessen Einstellungen zu Google und der Google-Strategie. Es wird sehr schnell deutlich, dass Jarvis ein lupenreiner Vertreter der Solutionism-Vertreter ist von denen Evgeny Morozow redet. Im Kern sagt er, dass Google es sehr gut schafft, Bedürfnisse von Kunden zu sehen, auch, wenn diesen solche Bedürfnisse nicht bewusst sind.

Ab der 16 min. kommen sie zu dem Thema Content und Content-Marketing. Auf die Frage von Knüwer, ob Firmen einen Fehler machen, wenn sie Content-Marketing betreiben antwortet Jarvis, dass Journalisten eigentlich keinen Content produzieren. What? Nach seiner Auffassung sind Bücher und Filme, die der Unterhaltung dienen, Content. Demgegenüber wäre Journalismus laut Jarvis ein Service. Sie setzen den Kontext des Adressaten in Beziehung zu Informationen und bereiten diese Informationen so auf, dass sie wertvoll für den Konsumenten sind. Und durch diesen Kontext könnten diese Medienanbieter dann auch gezielt Werbung vermarkten (Targeting).

Und an dieser Stelle wird eigentlich schon sehr deutlich, dass Jarvis ein Modell vertritt, dass man als überholt betrachten muss. Sein Taschenspielertrick mit der Unterscheidung zwischen Content und Informationsservice fällt in sich zusammen, wenn man etwas Abstand vom Gegenstand der Betrachtung nimmt. Firmen wie Amazon, Zalando oder HRS haben in nur wenigen Jahren einen großen Teil der Intermediates ersetzt. Zwischen dem Autoren und dem Leser eines Buches gab es früher immer mehrere Zwischenhändler: Agent des Autoren, Verlag, Großhändler und Buchhändler. Hinzu kommen Zulieferer wie Druckerei, Werbeagentur, Anzeigenabteilung und Logistik. Davon sind in vielen Fällen heute mehrere weggefallen. In manchen Fällen (eBook Selbstverlag) sind alle verschwunden. 3D-Drucker und Drohnen-Zustellung werden die Reste dort eliminieren, wo sie heute noch unabdingbar sind.

Kickstarter-Projekt PowerUp: Produkt oder Content?

Kickstarter-Projekt PowerUp: Produkt oder Content?

Allerdings ist Amazon ja kein Produzent von Content oder Produkten. Es ist ein Hub. Deutlicher sieht man dies an Kickstarter. Content (und Produkte) werden von Nutzern der Plattform kreiert und suchen sich dann einen Kanal über den sie vertrieben werden können, respektive ihre Konsumenten finden. Ist Kickstarter nun aber nur Großhändler für Businessideen? Nein, es ist eine Unterhaltungsplattform mit einer sehr hohen Relevanz- und Kontextbezogenheit. Es befriedigt wohl in den seltensten Fällen ein echtes Produktbedürfnis. Sehr schön zu sehen ist das an dem grade laufenden Projekt PowerUp, einem Motor für Papierflieger. Nach nur einem fünftel der Zeit hat das Projekt schon zehn mal mehr Geld eingesammelt als die gedachten $50.000.

Die Transformation durch das Internet ist daher immer am besten zu beschreiben, wenn man berücksichtig, dass Zwischenhändler überflüssig werden. Und das liegt vor allem an der Fähigkeit des Internet, den ja auch von Jarvis beschriebenen Kontext zu dem Adressaten herzustellen. Dieser Kontext bestand früher in der Fähigkeit eines Verkäufers auf den Kunden individuell zu reagieren. Mit Argumenten, mit Preisen und mit Empathie. Das sind aber Eigenschaften, die sich nicht skalieren lassen. Ein Verkäufer in einem Laden kann eben an einem Tag nur eine begrenzte Anzahl von Kunden bedienen.

Im Netz können beliebig viele Kunden durch eine Empfehlungsengine mit Kontext versorgt werden. Unendlich vielen Kunden können vermeintliche Preisvorteile angeboten werden und jeder Kunde kann mit persönlichen Worte angesprochen werden: “Dein Facebook-Freund Thomas hat sich das Produkt letzte Woche gekauft, er gibt ihm fünf Sterne!”.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass auch Journalisten Intermediates sind. Eine Information hat nur dann Informationsgehalt, wenn sie erstens beim Adressaten ankommt, wenn sie zweitens für ihn relevant ist und wenn sie drittens neu ist. Übersetzt bedeutet dies, dass der Journalist der Verkäufer eines Produktes (Nachricht) ist, dass irgendwo in der Welt hergestellt wurde. Sei es durch eine Naturkatastrophe, ein Sportereignis oder eine wissenschaftliche Studie. Die Aufgabe des Journalisten ist es nun, diese Nachricht für seine gedachten Kunden aufzubereiten und in die jeweiligen Kanäle zu distribuieren. Was daran genau sollte eine Empfehlungsengine nicht können? Medien und Journalisten sind nur dann überhaupt noch existenzfähig, wenn sie selbst Nachrichten produzieren, also Meinung. Und das verträgt sich nach bisheriger Meinung vieler Journalisten nicht mit der Ethik ihrer Branche.

Demgegenüber ist Content-Marketing nichts anderes als die – möglichst algorithmisch gesteuerte – gezielte Verbreitung von Nachrichten, die von Firmen produziert werden. Diese Nachrichten konkurrieren mit anderen Nachrichten über Naturkatastrophen, ein Sportereignisse oder eine wissenschaftliche Studien um unsere Aufmerksamkeit. Idealerweise wird sie Menschen mit Meinung berücksichtigen, die offensichtlich einen Einfluss auf meine Aufmerksamkeitsökonomie haben. Und an der Stelle kann man dann auch Henning Grote folgen, der in seiner Antwort auf Jeff Jarvis vom Relationship Business spricht. Es beginne schon vor der Content-Produktion und basiere auf echter Beziehungsarbeit. Bezogen auf das Beispiel von Kickstarter ist es das, was die Anbieter machen, wenn sie ihre Freunde in den gesamten Prozess  der Projektentwicklung einbeziehen.

Das Paradebeispiel für gelungenes Content-Marketing dürfte ladyada von Adafruit sein. Obwohl es sich “nur” um einen Anbieter von Bastlerelektronik handelt ist sie eine Galionsfigur einer ganzen Homebrew-Generation und liefert neben Produkten eben auch kontinuierlich Content der Menschen inspririert und unterhält. Und das ganz ohne Medien, ursprünglich nur verbreitet von begeisterten Anhängern, die durch ihre Begeisterung zu “Influencern” werden.


Written by qrios

December 6th, 2013 at 2:11 pm

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One Response to 'Der Content in den Zeiten des Internet'

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  1. Journalisten (die meisten) sind einfach nur vollkommene Idioten. Ihr Geschäft basiert darauf, dass sie Zugang zu Nachrichten haben, während ihre Leser diesen Zugang nicht haben. Zuletzt konnte man das sehr deutlich beim Koalitionsvertrag sehen. Alle Zeitungen haben darüber geschrieben aber ihn nicht veröffentlicht. Wie bekloppt muss man sein? Und sie merken nicht, dass die aufgeweckten Leute ihnen das übel nehmen? Sie werden alle überflüssig werden egal ob es ein Leistungsschutzrecht gibt, oder nicht. Wikileaks war nur der Anfang. Zukünftig werden sich Nachrichten selbst einen Weg suchen.

    wg.

    6 Dec 13 at 4:13 pm

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