“Einschaltquoten” von Online-Video-Angeboten
Die Messung der deutschen TV-Einschaltquoten ist aus Sicht eines halbwegs statistisch gebildeten Betrachters extrem fragwürdig. Wenige tausend Haushalte werden mit speziellen Geräten ausgestattet, die Teilnehmer werden geschult im Umgang mit Fernbedienungen (was übrigens die exorbitante Nutzung von Videotext erklärt) und am Ende des Jahres erhalten sie Kaffeemaschinen als Belohnung. Das Verfahren dient aber auch nur der Vergleichbarkeit der Quoten untereinander. Es bestimmt letztlich den Mediamix und damit wie viel Geld die Häuser ARD/ZDF, ProSieben und RTL bekommen.
Blind ist die GFK-Methode schon immer gegenüber der Mediennutzung abseits von TV und Radio. Man weiß aus Untersuchungen und vor allem aus eigener Erfahrung, dass der Trend weg vom programmgesteuerten Berieseln hin zur aktiven Bestimmung der Inhalte geht. Komplette Serienstaffeln werden an einem Stück angeschaut, Filme werden im Store geliehen oder gekauft oder gleich aus der Piratenbucht befreit. Aber wie hoch ist der Anteil der Nutzer, die ihren Medienkonsum selbst bestimmen?
Analyse
Das DE-CIX veröffentlicht ab und zu Charts über den Traffic auf den deutschen Internetknoten. Danach fliessen zu Spitzenzeiten über 2,5 Terabit durch die Leitungen. Interessant an dieser Zahl ist jedoch nicht der Wert selbst, sondern, wann er typischerweise stattfindet: zwischen 19:00 und 22:00 Uhr, zur besten Sendezeit.
Am gleichen Tag (3.11.2013) zur typischen Mittagspause in Deutschland lag der Wert ein Viertel niedriger. Ein solcher Verlauf ist auch in den anderen Charts des DE-CIX zu sehen. Der abendliche Peak ist jedoch nicht in den Zugriffszahlen eines durchschnittlichen deutschen Portals zu sehen. Manche Angebote schaffen es, zum Abend die Spitzenzahlen vom Mittag oder Nachmittag marginal zu übertreffen. Im Normalfall fällt die Kurve nach dem Kaffee-Peak gg. 15-16 Uhr langsam ab um dann spätestens zum Beginn des Hauptfilms stärker abzusacken.
Zur Hochzeit (am 3.11. wurden die Uhren zurückgestellt) um 19:30 fliessen etwa ein Drittel mehr Daten durch die deutschen Netze, die nicht von den großen deutschen Angeboten kommen. Es liegt nahe, die Nutzung von Youtube, Youporn und Serienportalen dafür verantwortlich zu machen. Denn weder Whatsup noch Email oder Facebook können bei intensivster Nutzung signifikante Bandbreite verbrauchen.
Ausgehend von einem Terabit kann man grob schätzen, wie viele Menschen, grade nicht vor dem Fernseher sitzen, sondern sich ein Video im Netz ansehen. Im Durchschnitt dürfte die Übertragungsrate eines Videos bei unter 500 kbit/sec liegen. In diese Schätzung fliesst sowohl die Tatsache ein, dass das Angebot von HD-Videos nach wie vor gering ist (insbesondre bei Serienportalen) und dass immer wieder Pausen entstehen, weil der Nutzer sich ein anderes Video sucht oder die Leitung stockt. Aus dieser Schätzung ergibt sich eine Zahl von etwa 2 Mio gleichzeitigen Streams zu Spitzenzeit.
Verglichen mit der Einschaltquote (Quelle GFK) des Tatorts am 3.11. von über 10 Mio Zuschauern sind 2 Mio Nutzer sicher noch nicht lebensbedrohlich. Insgesamt hat das deutsche Fernsehen an diesem Abend wenig mehr als 30 Mio Menschen erreicht. Über zwei Millionen wenden sich jedoch Abend für Abend vom Fernseher ab und lieber dem Netz zu. Und dabei handelt es sich sicherlich eher um interessante Zielgruppen für die Werbetreibenden.