qrios

IT ist kurios!

@caveman (2.0)

6 Kommentare

@holadiho wollte eigentlich nicht mehr nach 18:00 bloggen. Was für mich irgendwie nach “da bin ich immer viel zu schludrig” klang. Am späten Abend sah er sich aber dann doch noch mal genötigt, das Thema Privatsphäre und Datenschutz aufzugreifen.

In dem Post “Post Privacy und Väterchen Datenschutz” legt er dar (und nach), warum er kein Problem mit dem Verstreuen von Daten hat und warum wir das in Zukunft immer öfter bewusst tun werden. Quasi als alltägliches Handwerkszeug beim Jonglieren mit multiplen Identitäten.

[Update]

Ab hier beginnt die 2. Version meines Posts. Die erste Version war leider – wie @holadiho richtig bemerkte – sehr undeutlich.

Die Kernthese von @holadiho besteht in folgender Aussage:

Freunde – will ernsthaft noch einer mit den Konzepten des klassischen Datenschutzes operieren in diesem Umfeld? Also mit Datensparsamkeit, Datenvermeidung usw.?

und weiter:

Wir wollen unsere Daten zur Verfügung stellen, speichern lassen, öffentlich zugänglich machen, zu Werbezwecken auswerten lassen usw. – w i r  w o l l e n  e s!

Diese These wird flankiert von einem fadenscheinigen Szenario in dem ein Geheimdienstmitarbeiter auf der Basis von @holadihos Verkehrsdaten ein Profil erstellen möchte. Er führt aus, dass es doch viel sinnvoller wäre gleich seine Twitter-Timeline als Quelle zu nutzen immerhin würde er ja in jedem Tweet die GPS-Daten mitloggen.

O.k. dann schauen wir uns doch mal seine Timeline und die dazugehörigen GPS-Informationen an. Eine Abfrage der Twitter-API zeigt als erstes, dass @holadiho verschiedene Clients zum twittern nutzt. Bei den letzten 200 Tweets hat allerdings keiner davon die dafür vorgesehene Methode der Geo-Locations verwendet. Bei dem untersuchten Zeitraum setzt offensichtlich nur ÜberTwitter die Koordinaten. Das tut es aber offensichtlich nur sehr sporadisch oder kann @holadiho über einen Hubschrauber-Shuttle-Service verfügen? Denn am 18.2. schrieb er um 23:00:28 von der Prenzlauer Allee Ecke Danziger und 74 Sekunden später aber von der Warschauer Brücke. Laut Google benötigt man mit dem Auto 11 Minuten. Er scheint sich auch nur kurz in der Nacht an seiner Arbeitsstelle eingefunden zu haben, denn ca. 13 Minuten später war er bereits wieder an der Prenzlauer Allee.

Wie verlässlich die Daten sind, die er der ganzen Welt mitteilen möchte sieht man sehr schön an diesem Tweet:

I’m at Bonsoir Clara (Rue Antoine Dansaert 22-26, Brussels). http://4sq.com/9Pb0EX

Auch hier findet sich in den Daten der Twitter-API keine Geo-Location. Wieder gibt es nur die Location-Information in der User-Section, die eigentlich dafür gedacht ist, die Homebase eines Nutzers zu beschreiben. Insbesondere für Vielflieger eine sinnvolle Einrichtung. @holadiho befindet sich laut Tweet also grade in Brüssel – dort geht es nebenbei um Datenschutz in der EU – laut Twitter ist er aber hier: 52.50537,13.450062 in seiner Firma an der Warschauer Brücke in Berlin.

Warum mache ich mir die Mühe? Ich möchte darauf hinweisen, dass schon heute die deutsche Exhibitionistenelite keinerlei Kontrolle über die Daten hat, die sie preisgeben. Er behauptet und ist bisher sicher davon überzeugt, dass er mit jedem Tweet seine GPS-Position veröffentlichen würde. In meiner Timeline tut dies allerdings nur @343max.

Von einer bewussten Steuerung der Datenfreigabe kann also keine Rede sein. Wenn @saschalobo erst in einem Buzz fragen muss, wer der Verursacher von irgendwelchen Weiterleitungen eines Dienstes in einen anderen sein kann, dann bedarf es keiner großen Phantasie sich vorzustellen, welche Probleme Otto Normalverbraucher damit heute und erst recht in Zukunft haben wird.

Die Exhibitionistenelite kennt den Wert ihrer Daten. Es geht in jedem Fall um Selbstvermarktung. Und jeder gelesene Tweet ist ein potentiell wertvoller Kontakt, der in der Zukunft zu einer Conversion führen könnte. @holadiho subsumiert diese Gruppe mit einem ‘wir’. Ich stimme @tristessedeluxe zu, wenn er dies moniert. Für den weitaus größten Teil der Netzuser dürften die Ängste vor dem Kontrollverlust wesentlich evidenter sein als der spielerische Umgang mit der Selbstvermarktung.

@holadiho glaubt an eine Entwicklung, die er post-privacy nennt und die im Kern in einem bewussten und spielerischen Umgang der Nutzer mit ihren Daten besteht. Aber woher soll diese Fähigkeit kommen, wenn nicht dadurch, dass wir permanenten Zugriff auf alle persönlichen Daten haben und zum Beispiel mit einem Klick ein whipe out durchführen können. Eine solche Tabula Rasa müsste nämlich nicht nur meinen facebook-Account löschen können sondern auch Zugriff auf alle Datenbanken haben in denen Kopien (und Kopien der Kopien …) dieser Account-Informationen stecken.

Der spielerische und kreative Umgang mit den eigenen Identitäten wird erst möglich sein, wenn wir die wirkliche Hoheit über unsere Daten haben.

[/Update]


Written by qrios

February 25th, 2010 at 3:05 am

Posted in netzpolitik

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6 Responses to '@caveman (2.0)'

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  1. Schade, hatte schon gehofft mir würde meine nach 18:00 Schludrigkeit jetzt um die Ohren fliegen…
    Muss aber sagen dass die Replik ein bisschen schwach ist, denn ich habe ja ausführlich dargelegt dass wir uns mit dem neuen Umgang mit Daten, also die kontrollierte Verschwendung, am Ende besser schützen als es der klassische Datenschutz je vermocht hätte. Darauf gehst Du gar nicht ein sondern unterstellst einfach die von mir ja verworfende These dass Verschwenung gleichzusetzen sei mit völliger und naiver Öffentlichkeit (mein SternTV Modell sozusagen).
    Das sehe ich ja gerade nicht so.

    Stephan

    25 Feb 10 at 6:23 am

  2. Stimmt, die Replik ist nicht so deutlich. Ich habe leider den Fehler gemacht, zu versuchen auf beide Artikel gleichzeitig zu antworten. Sowas muss immer schief gehen. Ich werde mich wohl noch einmal dransetzen müssen.

    qrios

    25 Feb 10 at 12:24 pm

  3. Irgendwie ein süss verpeilter Versuch meine Argumentation auszuhebeln. Denn was hat bitte die Ungenauigkeit oder Unzuverlässigkeit des Dienstes mit meiner Absicht die Daten zu sharen zu tun?

    “Es geht in jedem Fall um Selbstvermarktung” ist übrigens auch so ein eine gern genutzte Plattitüde die mit der Frequenz des Einsatzes nicht besser wird. Die These stimmt sofern jegliche Art der sozialen Interaktion als eine Form von Selbstvermarktung betrachtet wird – aber das wäre ein bisschen arm, oder?

    Stephan

    25 Feb 10 at 11:07 pm

  4. Noller hat doch deutlich gezeigt, daß er kein Interesse an der Privatsphäre anderer hat. Seine Firma nugg.ad verdient ihr Geld als Spammer. Diese Firma hat es sogar geschafft den CCC vor seinen Karren zu spannen und läuft in der Gegend rum und behauptet sie hätten ein vom CCC abgesegnetes System, daß die Privatsphäre der User garantiert. Offensichtlich versuchen sie sogar die EU davon abzuhalten, schärfere Verordnungen zu erlassen.

    Im nächsten Bundestag werden die Piraten sitzen und dann werden die anderen Parteien plötzlich das Thema Datenschutz beachten und Firmen, wie Google oder nugg.ad hoffentlich an die Leine genommen.

    reader

    26 Feb 10 at 1:53 am

  5. Der Kern Deiner These ist, dass wir Daten gezielt und bewusst streuen und mein Hinweis, dass Du keine Ahnung hast, wann und wohin Du welche Daten sendest, nennst Du ‘süss und verpeilt’?

    Ahnungslos ist, dass Du meinst, Du wüsstest wann Du welche Daten wohin sendest. Anmassend ist, dass Du auf der Basis dieser falschen Annahme Aussagen über Privacy machst.

    Im übrigen ist mir nicht klar, warum Du mit einem polizeilichen Beispiel argumentierst. Dieser Bereich ist ja zum Glück sehr starker öffentlicher Beobachtung unterworfen. Viel interessanter wäre doch, wenn Du ein Beispiel aus der Wirtschaft wählen würdest. Denn dort versickern unsere Daten alltäglich und die Leute die damit zu tun haben sind keine Stümper wie bei der Polizei oder dem Verfassungsschutz.

    qrios

    26 Feb 10 at 5:18 pm

  6. Hast Du den letzten Hal Faber gelesen? Er schlägt genau in die Kerbe *ahnungslos und anmassend*:

    “Denn gerade die Apologeten des Social Web sind leider nicht die hellsten, wenn sie sich über Väterchen Datenschutz lustig machen und offenbaren, dass eine Straßenlampe mit Lichtsensor mehr “Intelligenz” besitzt als diese Allesinsnetzschreiber …” / http://www.heise.de/newsticker/meldung/Was-war-Was-wird-942309.html

    Danach weist er die “sozialen Vollpfosten” noch darauf hin, dass das BKA schon Software benutzt mit der sie die sozialen Netze durchsuchen. Offensichtlich fand er, dass der Ausdruck “Nullen der Social Media” / http://www.heise.de/newsticker/meldung/Was-war-Was-wird-936266.html noch nicht drastisch genug war ;-) ))

    reader

    28 Feb 10 at 12:33 am

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