Archive for the ‘netzpolitik’ Category
googles spagat zwischen tiananmen und chinesischer mauer
Am Montag habe ich meinen obligatorischen einmal-im-Jahr-Spiegel gekauft. Nicht weil ich davon ausgehen konnte, daß mir der Google-Titel Neues bringen würde, sondern weil ich durch ihn einen sehr klaren Blick auf den Tenor der Stammtischdiskussion “Google ist böse” bekäme.
Und tatsächlich ist dieser Artikel sehr dünn unterfüttert und dient einzig dazu, Ängste vor der Datenkrake mit knackigen Fallbeispielen aus dem Fundus von “1984″, “Fahrenheit 451″ und “Brazil” zu befeuern. Abgesehen davon, dass sich der Spiegel zum Büttel im Kampf “Medienunternehmen vs. Google” macht (sic!), spiegelt er damit sehr deutlich Googles Dilemma.
Die Google-Strategen stehen jeden Tag vor folgenden zwei Aufgaben: Wie bekomme ich mehr Daten? und Wie kann ich aus den bestehenden Daten mehr Umsatz erwirtschaften?
Dabei stellt sich heraus, dass die beiden Aufgaben offensichtlich im Widerspruch zueinander stehen: Je mehr Vertrauen ich bei meinen Usern geniesse, desto mehr Daten werde ich von ihnen erhalten. Aber je mehr Daten ich in Profit umwandle, desto weniger werden mir meine User vertrauen.
Der letzte Punkt ist nicht so offensichtlich. Aber man sollte ich fragen, was eine Versicherung für ein schön aufbereitetes Protokoll meiner Netzaktivitäten zahlen würde. Irgendeiner Versicherung wäre dieses Profil zu Werbezwecken und Marktforschung mindestens 5€ Wert. Meiner zukünftigen Versicherung wäre dieses Profil jedoch schon 10€ wert. Meiner eigenen Versicherung wäre dieses Profil im Schadensfall sogar noch etliches mehr Wert. Und Google könnte dieses Protokoll nicht nur entweder oder verkaufen, sondern an alle zusammen. Und Google könnte es immer wieder verkaufen, da ich ja weiterhin im Netz unterwegs bin.
Welche Werte in Googles Datenbanken schlummern kann man sich selbst leicht ausrechnen. Ein Versuch mit konservativen Annahmen: verwertbare Protokolle von 500 Mio Usern à 5€ zu verkaufen an 50 Abnehmer pro Jahr, ergibt bereits ein Jahresumsatz von 125 Mrd. Euro und damit das fünffache des aktuellen Jahresumsatzes.
Ohne Zweifel würde ein solches Angebot auf sehr viele Interessenten treffen. Allerdings würde diese Praxis von den Usern nicht tolleriert werden. Natürlich wäre dies der Mehrheit der Nutzer persönlich relativ egal, frei nach dem Motto “Wer nichts zu verbergen hat …” – eine Denkweise die sich ja inzwischen in der Führungsetage von Google durchgesetzt hat, wie Eric Schmid kürzlich bewies. Allerdings würde sich die öffentliche Meinung, gespeist von den Aussagen der Experten und als Seitenschauplatz des Krieges “Medienunternehmen vs. Google” sehr schnell gegen Google wenden.
Vor dem Hintergrund des Konflikts “Vertrauen vs. Profit” stellt sich Googles Rückzug aus China als ganz einfache Maßnahme zur Vertrauensbildung dar. Offensichtlich ist der zu erwartende Vertrauenszuwachs durch einen medienwirksamen Rückzug höher zu bewerten als die entgangenen Einnahmen durch den Rückzug aus dem chinesischen Markt.
Und tatsächlich stilisieren die Meinungsführer im Netz diesen Schritt zum großen Kampf “Google vs. Unterdrückung der Menschenrechte”. Selbst nerdcore bekommt Tränen in den Augen beim Anblick der Blumensträusse auf dem Firmenschild in China. Mspro sieht gar die Souveränität des Nationalstaats in Frage gestellt.
Dabei geht es nur um eine simple Kosten-/Nutzenrechnung. Viele Anleger bewerten denn auch den Rohstoff Nutzervertrauen geringer als die Chancen auf dem chinesischen Markt. Der Kurs hat nach der Veröffentlichung einen Dämpfer bekommen. Und letztendlich werden diese Anleger dafür sorgen, dass der ungehobene Schatz der qualifizierten Protokolle irgendwann gehoben wird. Auch wenn dies langfristig zu einem Vertrauensverlust führen sollte.
Aber Google wird nicht helfen, die Schweinegrippe einzudämmen oder den Weltfrieden herzustellen. So sehr ich mir dies auch wünschen würde.
[Update] Zum Vergleich noch das Chart von Baidu:
[/Update]
gsm hack – 64 bit sind nicht genug
Auf dem 26. Chaos Communication Congress unter dem Motto “Here Be Dragons” hat Karsten Nohl einen Hack für die Verschlüsselung von GSM-Netzen präsentiert. Die technischen Details wurden als Torrent veröffentlicht und sind somit unwiederbringlich in die weite Welt entfleucht. Dass, die Technik unsicher ist, war vorher bekannt und es wurde vielfach vermutet, dass interessierte öffentliche und private Stellen diese Unsicherheit seit Jahren ausnutzte. Im Kern geht es dabei um das Verfahren, wie sich Geräte mittel 64 bit A5/1-Algorithmus gegenüber dem Netz authentizieren. Auf der Basis der Veröffentlichung, kann ein Dritter sich in laufende Gespräche einhängen oder Geräten eine vertrauswürdige Stelle vorgaukeln.
Es gibt zwar seit Jahren auch die Spezifikationen für 128 bit, diese wurden aber bisher von den Netzbetreibern nicht eingesetzt.
Das Vortrags-PDF habe ich mal runtergeladen und stellt den Weg zu einem Mobilfunkmast in der eigenen WG sehr übersichtlich dar. Der Weg dorthin wurde übrigens im Chaos Radio Express Podcast #120 beschrieben.
Weitere Infos dazu gibt es hier:
- Communications Chaos ~ GSM Crypto-Cracked!
- GSM encryption code cracked wide open, leaked to the Internet
- Encryption Code for 80% of the World”s Mobile Calls Cracked
- GSM phone encryption cracked
- GSM Code Cracked & Released – Another Reason to Be Thankful for …
- The Algorithm Protecting GSM Calls Has Been Cracked | Gizmodo …
climategate – meine schonfrist für wissenschaftler ist abgelaufen
Jemand bricht in den/die Computer der Climatic Research Unit der University of East Anglia ein. Der Ungenauigkeit halber handelt es sich um einen Hacker. Tatsächlich ist es eher ein Cracker und eigentlich ist es sogar ein Whistleblower. Dieser Jemand stellt die Daten danach anonym als Zip-Datei unter dem Namen ‘FOI2009.zip’ in ein Forum. Nach wenigen Stunden findet sich die 60 MByte große Datei auf Torrent-Servern und bei Rapidshare.
soziologie 2.0
Früher mussten Soziologen komplizierte Fragebögen designen und konnten sich doch sicher sein, dass kluge Probanden sehr genau spürten, worauf die Fragen abzielten und die entsprechend gewünschten Antworten gaben. Und dann war da auch noch das Problem mit der Anzahl und der richtigen Auswahl der Befragten.
Inzwischen gibt es jedoch ein unglaublich gutes Instrument mit dessen Hilfe man zu den meisten grundlegenden Fragen des Zwischenmenschlichen eine ausgezeichnete Grundgesamtheit an Probanden hat. Google Autokomplete.
Möchte man also zum Beispiel die größten Probleme von unverheirateten Frauen erfahren gibt man einfach ‘mein freund ist’ in das Suchfeld ein und erfährt sofort, dass knapp 500.000 meinen, dass ihr Freund ‘komisch’ sei und dies in irgendeiner Form problematisch sei.
jailbreaked iphone ssh trojaner
Mein Lieblings-Mac-iPhone-Blog fscklog.com berichtet über den ersten echten Wurm für das iPhone. Mehr kann man noch hier erfahren und es gibt ein Interview mit dem Autor des Wurms, der bis auf einen Scherz mit einem Hintergrundbild, keine Schadroutine hat. Es sind ausschliesslich gehackte/jailbroken iPhones betroffen. Und diese auch nur dann, wenn man nach dem Hack sein root-passwort nicht geändert hat.
Da der australische Autor, den Quelltext veröffentlicht hat muss man davon ausgehen, dass sich schnell weniger harmlose Varianten in der freien Umlaufbahn finden werden. Dies vor allem, weil man mit einem Viraus auf einem Telefon natürlich echtes Geld verdienen kann.
Hier die Anleitung, wie man sich schützen kann.
[Update] Der Code wurde inzwischen wieder gelöscht. Was natürlich nicht garantiert, dass nun keine weniger harmlosen Versionen mehr erscheinen werden. Denn eigentlich ist das Prinzip sehr einfach: scanne ein bestimmtes Netz nach gehackten iPhones mit root-Passwort ‘alpine’, kopiere den Code dorthin und starte den Wurm. [/Update]
die blogs, die produktionsmittel und das kapital
Für die Ungeduldigen: Alle Versuche der Politik und Wirtschaft, Copyrights zu schützen sind Versuche, die digitalen Produktionsmittel wieder in die Hand weniger zu legen und so einen Markt, mit wenigen Teilnehmern zu erhalten.
Eva Redselig Schweitzer hat in ihrer unnachahmlichen Art für mehr Klarheit in der Sache, Dr. Eva Schweitzer gegen (einen) (zwei) alle (ausgenommen Malte) ‘deutschen’ Blogger gesorgt. Kurze Auszüge aus dem Telefonat zwischen Johannes Boie und ihr hat er auf seinem Blog (unter dem Dach der Süddeutschen) veröffentlicht. Nach ihren eigenen Auslassungen zahlt sie für das Auffinden von Urheberrechtsverstößen und die Durchsetzung ihrer Rechte keinen Pfennig. Dieser Umstand gefällt ihrem Dienstleister offensichtlich nicht und dürfte letztendlich die Durchsetzung dieser Forderungen erheblich behindern und auch den Handlungsspielraum des Dienstleisters einschränken.
wikipedia 2.0: don’t panic
Frank Rieger hat auf seinem Blog einen guten Artikel über das Problem der Wikipedia und einen möglichen Lösungsansatz geschrieben. Im Kern schlägt er eine Aufspaltung in eine Enzyklo-Pedia und eine Wiki-Pedia vor. Erstere würde dann dem feuchten Traum vieler Wikinger entsprechen, ein relevantes und zitierfähiges Werk zu schaffen und die andere wäre for the rest of us.
Viel spannender finde ich allerdings, den Vorschlag vom schwarzwaldindianer in den Kommentaren. Wenn man schon eine Abspaltung macht sollte man gleich einen Hitchhiker-Fork wagen. So richtig mit P2P.
Basierend auf distributed hash tables mit einem vernünftigen Sync-Mechanismus und kaskadierenden Caches wäre das eine tolle Sache. Dazu noch geographische und user-basierte Relevanz und einem Ratingsystem würden die Schwächen des aktuellen Systems obsolete werden. Vernünftige APIs, die es mir möglich machen über das Wave-Protokoll, SMS oder twitter, Artikel abzufragen oder zu editieren könnten das Arbeiten mit Wiki wieder interessant machen.
löschen statt aussperren!
Am 5. November sollte (und soll wohl immer noch) eine öffentliche Diskussion über die Löschpraxis und die Relevanzkriterien bei der deutschen Wikipedia stattfinden. Initiiert hatte diese Veranstaltung der Verein Wikimedia. Leider sieht es nun so aus, als ob die Veranstaltung ein Rohrkrepierer wird:
- es gibt jetzt ein Podium und Gäste
- fefe als Auslöser der Krise wurde nicht eingeladen und sitzt daher auch nicht auf dem Podium oder unter den Gästen
- nach 42 (sic!) Anmeldungen ist die Kapazität für die Gäste ausgeschöpft
Da bin ich ja mal gespannt, ob die Veranstaltung nicht noch in letzter Sekunde abgesagt wird, denn immerhin überlegt Johnny vom spreeblick jetzt öffentlich, ob er teilnehmen soll. Aber warum sollte er auch, denn man ist sich ja bei der Wikipedia sicher, dass diese Blogdiskussion ein Randthema ist; auf den internen Listen wird es ja kaum diskutiert. Als ob Bl*ckwärter unter sich einen Diskurs über negative Auswirkungen von Bl*ckwartmentalität führen würden.
Ich ziehe mir bis dahin mal den Chaos Radio Podcast 151 über die Wikipedia.
der mob und das netz – oder 10% ist nicht genug!
Wenn Spreeblick schon keine Cochones hat, so zeigen die da drüben jetzt doch Nerven. Da wird über den tragischen Selbstmord des VZ-Erpresser in Plötzensee berichtet und nachdem die Anzahl der Beileidsbekundungen in den Kommentaren an einem Finger an zwei Händen abzählbar war, hat Johnny die Kommentare geschlossen und die bisherigen auch gleich verschluckt.
Ob das mal nicht eine direkte Folge der Diskussion um eine in einem New-Yorker-Altbau-schreibende ADAC-Mitgliederin und deren Verteidiger ist.
Wenn in einigen Jahren jede Tabletten-Aufbrühmaschine twittert und jede SMS von Google in Echtzeit indiziert wird, werden wir feststellen, dass es da nicht schön ist, wo zu viele von uns sind. Oder wäre ansonsten das Fernsehprogramm am Samstag abend das beschissenste in der ganzen Woche?!
amoklauf in nyc: dr. schweitzer vorläufig festgebissen [update]
In der Sache Dr. Eva Schweitzer gegen (einen) (zwei) alle (ausgenommen Malte) ‘deutschen’ Blogger beschliesst das Gericht, dass die Beweisaufnahme wieder eröffnet ist.
Es klang eigentlich wie ein Märchen:
- Blogger ‘zitiert’ Qualitätsjournalistin,
- Bodyguards dieser international agierenden, immer beschäftigten, in NYC auch wohnenden Frau verfolgen gnadenlos illegale Verwendung ihrer kreativen Arbeit,
- treffen dabei aus Versehen den Falschen,
- Größe zeigt Gnade,
- lässt den kleinen Fisch ‘vom Haken’.
- Und Alle so: Yeeaah!
Die gesamte Story war dann noch gewürzt von ‘gewissen’ Sticheleien, die es erst so richtig spannend machen, zu sehen, wie diese niedlichen Blogger, sich mit den wirklich Großen der Branche anlegen.
Der Vorwurf an die Blogosphäre steht im Raum: ihr seid keine Journalisten, denn sonst wüsstet ihr, dass man immer, immer, immer dem Opfer von Kritik Gelegenheit gibt, Stellung zu nehmen. (Aus meiner eigenen beruflichen Praxis weiss ich, dass man dies insbesondere bei kontroversen Aussagen tun sollte, manchmal aber auch mit einer gespooften Fax-Nummer macht.) Ergo seid ihr nur Schmierfinken. Schreibendes Präkariat gewissermassen.
Der Mob, das Präkariat, die Klowände und die Schlafanzüge